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Demokratisches Trauerspiel

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Die Basler Präsidentenwahl: – ein demokratisches Trauerspiel

Der Kanton Basel-Stadt hat sich vor ein paar Jahren eine neue Kantonsverfassung gegeben. Bei der Behördenorganisation führte man eine respektable Neuerung ein: Basel-Stadt soll einen auf die ganze Amtszeit gewählten Regierungspräsidenten erhalten, der aus einem Präsidialdepartement heraus die Planung und Leitung der ganzen Regierungstätigkeit leisten und darüber hinaus der Stadt Basel zu einem Gesicht verhelfen soll, so wie wir das kennen von den Funktionen wie sie ein englischer Mayor, ein deutscher Oberbürgermeister, ein italienischer Sindaco oder ein französischer Maire de Paris wahrnehmen.

Die Idee hat viel Bestechendes, denn die schweizweit besondere Organisationsstruktur von Basel, wo Stadt- und Kantonsbehörden (und Verwaltungen) dasselbe sind, verhinderte mit dem primus inter pares-System der jährlich wechselnden Regierungspräsidentinnen oder -präsidenten genau jene Personalisierung, die in der Welt den Städten zu einem besonderen Ausdruck verhilft. Damit dieses „Gesichtgeben“ auch zur Wirkung kommt, redet alle Welt (gemeint: alle Welt von Basel) vom Stadtpräsidenten oder vom Stapi, obwohl die Funktion formal richtigerweise Regierungspräsident heißt.

Und nun erleben wir ein demokratisches Trauerspiel erster Ordnung: Die sozialdemokratische Wahlsiegerin Herzog findet es unter ihrem Anspruch, das Finanzdepartement aufzugeben und dafür die Gesamtverantwortung zu übernehmen. Die bürgerlichen Regierungsräte spielen ein Trauerspiel der Mutlosigkeit und bleiben lieber auf ihren Departementen sitzen, als daß sie diese erstmalige politische Herausforderung annehmen würden. Damit bleibt am Schluß nur noch der bisherige grüne Justizminister Morin, der als Projektleiter der Departementsreform sich quasi den eigenen Laden unter dem Hinterteil hinwegreformiert hatte. Er soll nun – per Medien proklamiert, bevor die Regierungskolleginnen und -kollegen auch nur informiert worden wären – in Stiller Wahl zum ersten Basler Stadtpräsidenten erkoren werden.

Wenn es bei der erstmaligen Besetzung dieses neuen, auf vierjährige Amtszeit gewählten Stadtpräsidenten nun tatsächlich zu einer Stillen Wahl kommen sollte, kommt man nicht um zwei erschreckende Vermutungen herum. Dann nämlich muß man annehmen, daß alle jene Kräfte, die ein Präsidialdepartement und einen für die ganze Legislaturperiode gewählten Regierungspräsidenten einführten, offensichtlich nicht wußten, was sie taten. Und gleichzeitig muß man annehmen, daß die übrigen Mitglieder der nächsten Basler Regierung sehr wohl wissen, was sie tun: nämlich die neue Struktur zum vorneherein unterlaufen.

Wenn sich ein Gemeinwesen eine solche Führungsstruktur gibt, dann muß daraus auch eine Funktion entstehen. Und diese Funktion ist den andern Exekutivmitgliedern vorgesetzt, es gibt keinen primus inter pares mehr. Um zu verstehen, was eine solche Ausgestaltung der Präsidentenrolle bedeuten muß, hätte damals der Basler Verfassungsrat nicht einmal über die Grenze ins Baselbiet schauen müssen; der genaue Blick nach Riehen und Bettingen hätte eigentlich schon gereicht. Und wenn man es vornehmer auf der kantonalen Ebene hätte haben müssen, so wäre immerhin das Studium in jenen Kantonen möglich gewesen, die einen auf mehrere Jahre gewählten Landammann kennen – eben genau jene herausgehobene Präsidentenrolle in einer Kantonsregierung. Wenn der Stadtpräsident nicht zu dieser herausgehobenen, politischen Rolle findet, sondern ein primus inter pares bleibt, so ist das Ganze mit dem vollamtlichen Regierungspräsidenten, seinem Präsidialdepartement und seiner Führungs- und Planungsrolle bezüglich der Regierungstätigkeit nicht mehr als ein Marketing-Gag von äußerst kurzer Wirkungsdauer.

Es ist fast schockierend, daß die politische Welt des Kantons Basel-Stadt offensichtlich nicht sieht (oder nicht sehen will), daß die Art und Weise der erstmaligen Bestellung eines Regierungsmitgliedes zur vollamtlichen Regierungspräsidentin bzw. zum vollamtlichen Regierungspräsidenten auch darüber entscheiden wird, ob aus dem neuen Amt wirklich der Basler Stadtpräsident wird oder nur ein auf vier Jahre gewählter Sitzungsleiter mit angedockten „Grüßgott-August“-Funktionen.

Wahrlich: ein demokratisches Trauerspiel bei dem vollends unverständlich bleibt, daß der derzeit offenbar einzige Kandidat sich auch noch freut, auf einem zwar sehr bequemen aber demokratisch völlig unerträglichen Weg zum ersten Basler Stapi nicht gewählt, sondern bloß verkündet zu werden.

P.S. Ebenso unverständlich bleibt, wie die sonst auf Zürich so allergischen Stadtbasler plötzlich eine Liebe zum Begriff Stapi entwickeln können.



Donnerstag, 2. Oktober 2008

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