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Bundesfeier? 1.-August-Feier? Nationalfeiertag?

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Es ist offensichtlich schick geworden, sich distanzierend zu unserem Bundesfeiertag zu äußern. Die Fragezeichen sind nicht meine, es sind die Fragezeichen von Leuten, die sich gerne als ganz modern, entgrenzt und allem verbunden darstellen. Oft wird dann gleich noch die Abschaffung von allen Nationalfeiertagen postuliert. Als Argument muß der Gedanke herhalten, daß ja alles, so wie es gekommen ist, bloß einer Reihe von Zufällen zuzuschreiben sei.

Die Vorstellungen von Bundesgründung, Freiheitsakt, Kernzelle der Eidgenossenschaft, die wir gerne mit dem 1. August 1291 verbinden, sind Bilder, die vom 16. bis Ende des 19. Jahrhunderts an die Anfänge der Schweizer Geschichte herangetragen wurden. Dazu haben sicher die literarischen und musikalischen Werke von Schiller und Rossini ebenfalls noch ihre Beiträge geleistet.

Roger Sablonier, 1941 – 2010, der langjährige Professor für Geschichte des Mittelalters an der Universität Zürich, hatte vor ein paar Jahren ein Buch vorgelegt, das ganz gewaltig am schweizerischen Geschichtsbild rüttelt. In seinem Werk «Gründerzeit ohne Eidgenossen» hat er fachhistorisch, aber in einer anschaulichen, gut verständlichen Sprache ein neues Bild der Zeit zwischen 1291 und 1325 gezeichnet.

Der Spezialist für diese Epoche, die man uns als die Geburtszeit der Eidgenossenschaft beigebracht hat, bestreitet keineswegs, daß die Anfänge der Schweiz in diesem Zeitraum liegen. Aber er räumt auf mit dem hehren Bild von nach Freiheit strebenden Bauern aus den engen Alpentälern. Die Einbettung der Waldstätte-Geschichte in die Absichten der verschiedenen Könige und Kaiser, die sich an der Reichsspitze abgelöst hatten, zeigt ganz andere Hintergründe und Zusammenhänge auf. So suchten die Habsburger, die Luxemburger, die Wittelsbacher sich vor allem mit Vergabe von Rechten machtpolitisch ihre Ziele abzusichern. Die meisten vorhandenen Dokumente entpuppen sich vor allem als Aktionen zur Herrschaftssicherung, die gleichzeitig auch die Ordnung und die Macht der regional herrschenden Schichten sicherten! Deshalb ist der Morgartenbrief von Brunnen von 1315 das viel bedeutendere Dokument als der Bundesbrief von 1291.

Sollen wir nun die Bundesfeier abschaffen? Die Musik nach Hause schicken? Und das Feuerwerk für Silvester aufsparen? Ich denke: nein. An den Bundesfeiern stehen nicht mehr die drei senkrechten Eidgenossen vom Rütli im Zentrum sondern die heutigen Themen unseres Landes. Und wenn dabei der eine oder andere Blick auf die nun durchlüftete Geschichte gewagt wird, so ist das mehr als erfreulich. Denn so wird deutlich, daß der Weg unseres Landes nicht eine Reihung von Zufällen war. Aber erstaunlich ist es allemal, daß unser Land einen kontinuierlichen Weg beschreiten konnte, auf dem immer die Gewinnung, Sicherung und Erweiterung der Selbstbestimmung ein hohes Ziel war. Und das gilt auch dann, wenn es nicht 1291 mit kraftvollen Bauern auf dem Rütli begann, sondern vielleicht erst 1315 mit Menschen aus der Waldstätte, die damals halt über Einfluß und Macht verfügten.

(Als Frontartikel im BiBo vom 27.07.2017 publiziert.)

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