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Proporzwahlen und Kandidatenstimmen

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Das Baselbieter Parlament, der Landrat, ist neu gewählt und im Moment ist man noch am auszählen. Es zeichnen sich Sitzverschiebungen zwischen den Parteien ab. Und das Wahlsystem wird auch wieder zu Verschiebungen innerhalb der vier Wahlregionen führen. Regelmäßig werden dann von frustierten Kandidatinnen und Kandidaten und von unkundigen Parteifunktionären falsche Analysen zu den Kandidatenergebnissen geliefert.

Unglücklicherweise hat am letzten Samstag Thomas Daehler, der Chefredaktor der bz – Basellandschaftliche Zeitung, in seinem Kommentar mit dem Satz „Je höher die Stimmenzahl der gewählten Parlamentarierinnen und Parlamentarier ist, desto größer ist ihre politische Legitimität.“ noch einen Beitrag zu solch falschen Wahlanalysen geliefert.

Bei einer Majorzwahl wäre Daehlers Aussage absolut richtig, und bei einer Proporzwahl ist sie absolut falsch. Die persönliche Stimmenzahl ist bei Proporzwahlen ganz zentral das Resultat des Listen- bzw. Parteiergebnisses und nur zu einem ganz bescheidenen Teil des Kandidatenergebnisses. Wenn jemand auf einer Liste kandidiert, die eine hohe Anzahl Mandate holt, so müssen alle Kandidaten auf dieser Listen relativ hohe Stimmenzahlen haben. Sonst hätte nämlich diese Liste die Menge Mandate gar nicht erzielen können. Alle Kandidaten auf so einer Liste haben einfach einmal einen entsprechenden Stimmensockel allein aus den unverändert eingelegten Parteilisten. Wenn es zu individuellen Hervorhebungen kommt, so sind diese immer  –  wirklich:  immer  –  nur auf Kumulations- und Panaschierstimmen zurückzuführen.

An Zahlen aus den Nationalratswahlen 2007 im Kanton Zürich läßt sich das am besten demonstrieren.

2007 standen dem Kanton Zürich 34 Nationalratsmandate zu. Entsprechend hatten alle Parteilisten 34 Zeilen, die sie vollständig oder nur teilweise mit Kandidatennamen belegt hatten. Von allen Zürcher Parteien, die Nationalratsmandate gemacht haben, bekam

  • mit 12 Mandaten die SVP am meisten Sitze
  • mit   1 Mandat       die EVP am wenigsten Sitze.

Bei der SVP hat Ueli Maurer als bestgewählter 162’673 Stimmen verzeichnet und mit 138’799 Stimmen hat  Ernst Schibli das 12. SVP-Mandat erhalten. Auf Platz 34 der SVP-Liste lief der Kandidat Hansruedi Züllig als letzter ein und verzeichnete 113’628 Stimmen.

Bei der EVP war der einzige gewählte Kandidat Ruedi Aeschbacher, ehemaliger Zürcher Stadtrat, mit 38’668 Stimmen.

Wäre die Ausssage von bz-Daehler richtig, so hätte der EVP-Mann Aeschbacher niemals in den Nationalrat einziehen dürfen, denn der letztplazierte SVP-Kandidaten hatte ein 3,59-mal höheres persönliches Resultat erzielt. Aufgrund der Parteistimmenzahl haben die 34 Zürcher EVP-Kandidaten eine Durchschnittsstimmenzahl von 13’075,94 erreicht; bei der SVP war das jedoch ein Durchschnittswert von 136’489,58 Stimmen pro Kandidat.

 

Genau genommen müßte man diese zahlenmäßige Aufschlüsselung sogar noch vertiefen. Zwei Beispiele:

  • Es gab ja noch andere Parteien wie CVP, FDP und SP, die auch NR-Mandate erzielt haben und deren Kandidaten mit ihrer persönlichen Stimmenzahl ebenfalls deutlich höher liegen als die Stimmenzahl, mit der die EVP das letztverteilte Mandat erhielt.
  • Zu allem hinzu war Aeschbacher auf der EVP-Liste vorkumuliert. Somit hat er aufgrund der Durchschnittszahl etwa 13’000 Stimmen schon einmal zusätzlich auf alle seine Mitkandidaten als Vorsprung zugeteilt bekommen  –  Stimmen, die man weißgott nicht als „persönliche“ qualifizieren kann.

Wenn es zu dieser Zahlenlage eine politische Aussage gibt, die richtig ist, dann heißt sie:

Je höher die Zahl der Listenstimmen ist, desto größer ist die politische Legitimität der Partei, die hinter dieser Liste steht. Mit den persönlichen Stimmenzahlen der einzelnen Kandidaten auf der Liste hat das eben herzlich wenig zu tun.

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