Duzen in der Firma – reine Symbolpolitik?
Ich meinem langen Berufsleben und in andern, ähnlichen Betätigungsfeldern habe ich bezüglich den ungeschriebenen Regeln über den Umgang per Du oder per Sie etwa alles erlebt, was man sich denken kann. In spezifischen Zusammenhängen war auch das standardisierte Duzen dabei, das in diesen jeweiligen Zusammenhängen gut und richtig war und heute noch ist. So ist es beispielsweise unter Feuerwehrleuten völlig normal, daß sich alle duzen. Auch im Curling ist es weltweit so, daß man per Du verkehrt. In andern Sportarten und Freizeitbetätigungen ist es zum Teil auch so.
Daraus habe ich gelernt, daß man den Du-Umgang immer beibehalten sollte, wenn man aus einer solchen Gruppe heraus eben per Du ist. Alles andere wirkt künstlich und oft auch etwas unehrlich.
Aber das von oben verordnete Duzen vom CEO bis zum Stift ist Pseudopflege von „moderner“ Betriebskultur – mehr nicht. Einfach Du sagen, bewirkt noch nicht die geringste Änderung in der Wahrnehmung und in der Wertschätzung. Vor allem enthebt es in gegebenen Situationen nicht einfach von Kritik. Gerade deswegen habe ich viele Situationen erlebt, in denen recht großer Frust, ja sogar handfester Krach entstanden ist, weil Leute einfach annehmen, daß mit dem Du Hierarchien, Verantwortungen und gesittete Umgangsformen abgeschafft seien. Diese Beobachtung habe ich in beiden Richtungen, also von unten gegen oben, wie auch von oben gegen unten, gemacht.
Als Kunde will ich ohnehin nicht einfach geduzt werden. Das sind ja in aller Regel erste und oft auch einzige Kontakte, bei denen ich mir keine solche „Nähe“ aufzwingen lassen will.
Und schließlich möchte ich auch meine Autonomie behalten, mit wem ich auf welcher Distanz verkehre. Das wäre mir mit Du an sich immer noch möglich, aber die Gegenseite respektiert das sehr oft dann einfach nicht mehr.
Zudem taucht hier auch ein Englisch-Irrtum auf. Sehr viele Leute aus dem deutschen Sprachraum denken, daß das im Englischen doch so einfach sei, wo alle mit you angesprochen werden. So einfach ist es eben nicht, denn gerade im Englischen gibt es sehr feine Abstufungen anderer Art, die erkennen lassen, ob man mit jemandem auf einen korrekten Sie-Umgang eingestellt ist oder ob man miteinander im vertrauten Du verkehrt.
Lassen wir es doch beim Bewährten: Wir entscheiden alle selbst und im Umgang mit dem Gegenüber, ob wir uns duzen oder siezen.
Oft ist das reine Symbolpolitik – Interview der NZZ
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