Listenverbindung gehört abgeschafft
Ende Juli führte eine Mitteilung der Bündner SVP zu medialem Aufkochen. Die SVP im Kanton Graubünden reicht zwei Nationalratslisten ein, die untereinander verbunden sind. Eine Liste wird vom bisherigen Nationalrat Heinz Brand angeführt, die andere von Magdalena Martullo-Blocher, Chefin der EMS-Chemie und Tochter von Christoph Blocher. Ebenfalls wurde bekanntgegeben, daß sich alle Kandidatinnen und Kandidaten darauf verpflichten mußten, im Falle von zwei Sitzgewinnen jene Personen nach Bern ziehen zu lassen, die am meisten persönliche Stimmen geholt haben.
Ich halte diese Geschichte zwar für legal, aber nicht für legitim. Allerdings kann man nichts daran ändern, denn niemand kann eine Kandidatin oder einen Kandidaten zwingen, eine Wahl anzunehmen. Somit kann die Kantonalpartei mischeln und es so steuern, daß die gewünschte Person nach Bern kommt.
In der Presse und auch auf allen Internet-Medien wurde das Manöver, mit zwei verbundenen Listen anzutreten, massiv kritisiert.
Anfangs dieser Woche haben die Grünen Baselland bekanntgegeben, daß sie gleich mit drei verbundenen Listen antreten werden. Das Ziel heißt, der bisherigen Nationalrätin Maya Graf den Sitz in Bern zu erhalten. Erstaunlicherweise (oder auch nicht?) hat man keine einzige Empörung über dieses Manöver mitbekommen. Ich mag es Maya Graf gönnen, wenn sie weiterhin in Bern wirken darf. Sie hat schließlich für Baselland keine schlechte Figur gemacht. Aber wie steht das jetzt bei den Grünen mit den internen Abmachungen? Manche mögen das als eher theoretisch abtun, aber es ist nicht auszuschließen, daß beispielsweise der Liste der „Grünen Panther“, mit alt Nationalrätin Ruth Gonseth als Spitzenkandidatin, innerhalb der Listenverbindung das Mandat zufällt. Müssen dann auch alle Kandidatinnen und Kandidaten auf dieser Liste verzichten, damit die Parteileitung dann die bisherige Nationalrätin Graf nominieren kann?
Beide Fälle zeigen auf, daß Listenverbindungen zu ganz massiven Verfälschungen des Wählerwillens führen und auch benutzt werden können. Es gibt wohl keine Nationalratswahl, in der nicht in irgendeinem Kanton durch die Listenverbindung der Wählerwille verfälscht wurde. Vor vier Jahren hätte eine Listenverbindung unter den Baselbieter Mitte-Parteien um wenige Stimmen ein Nationalratsmandat gemacht, was zu Lasten der FDP-Liste gegangen wäre. Damit wäre damals die BDP – nur dank Listenverbindung – mit lediglich 57 % Parteistimmen gegenüber der FDP zum Mandat gekommen. Die FDP hätte das Nachsehen gehabt und die Listenverbindungspartner sowieso und automatisch. Daß das damals keine strategische Allianz sondern lediglich ein rein arithmetisch begründetes Zusammengehen war, hat sich in der Zwischenzeit längst bestätigt. Der fast gewählte BDP-Kandidat hat später Fraktion und Partei gewechselt und dieses Frühjahr sogar das Landratsmandat verloren. Diese Parteien konnten sich in diesem Jahr weder zu einer gemeinsamen Landratsfraktion noch zu einer gleichen Allianz bei den Nationalratswahlen finden.
Das Institut der Listenverbindung gemäß dem Gesetz über die Politischen Rechte (BPR Art. 31 Verbundene Listen) gehört abgeschafft. Es ist im Wahlrecht zur Nationalratswahl die größte Maschine zur Verfälschung des Wählerwillens.
Nun werden mir ein paar Argumente entgegengehalten werden. Das erste ist wohl das älteste: es gehe nicht ohne. Doch, doch, es geht ohne Listenverbindung, das basellandschaftliche Wahlgesetz und die Landratswahlen zeigen es immer wieder. Es geht sogar bestens. Dann wird man mir die unterschiedlichen Wahlkreisgrößen und die schlechten Chancen für kleinere Parteien entgegenhalten. Daß es hiezu andere Lösungen geben kann, haben die Wahlrechtsreformen in mehreren Kantonen gezeigt.
Niemand muß sich um meine mentalen Funktionen Sorge machen. Die Abschaffung der Listenverbindung wird nicht kommen. Der Grund ist ganz einfach: siehe oben, von links bis rechts einschließlich der Mitte kann man sich „e Vörteli“ ausmalen. Deshalb wird die punktuelle Allianz aller Parteien so eine Attacke immer abzuwehren wissen.
Dennoch: Die Listenverbindung gehört abgeschafft.
07.08.2015
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