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„Stehe still und sammle dich.“

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Gedanken nach der Baselbieter Theater-Abstimmung

Bei einem Feuerwehreinsatz können Atemschutzgeräteträger ganz schnell in eine Situation geraten, bei der sie nichts mehr sehen und dennoch richtig handeln sollten. So etwas führt gerne zu panikartigen Reaktionen. Denn man muß in völlig unübersichtlicher Situation seinen Standort bestimmen und sich erst noch neu orientieren. Deshalb lernten wir als junge Feuerwehrleute einen wichtigen Satz: „Stehe still und sammle dich.“ Diese Handlungsanleitung gilt immer noch, und man sollte sie gerade nach einer Abstimmung anwenden, die eine unerwartete, neue Situation erbracht hat.

Das ist nun mit dem Ausgang der Baselbieter Abstimmung über zusätzliche Subventionen für das Theater Basel so eingetreten. Persönlich gehöre ich als Befürworter auch zur Verliererseite. Vielleicht habe ich gerade deshalb den ganzen Rummel nach der Abstimmung genau verfolgt und mich auch geärgert. In einer unglaublichen Kadenz wurden Interpretationen, Schlußfolgerungen und Forderungen in die Welt gesetzt, die weder durch exakte Analysen noch durch klar durchdachte Postulate brillierten.

Als erstes sind die marktschreierischen Proklamationen eines Gegensatzes von Unterbaselbiet und Oberbaselbiet sowie die Erfindung eines „Sarah-Jane-Grabens“ genau unter die Lupe zu nehmen. Und hier zeigt sich, daß es nicht so simpel ist, wie die Journalisten und manche Politiker es gerne hätten. Analysiert man die Resultate der Gemeinden im Bezirk Arlesheim, so zeigt sich eine genaue Drittelung: fünf Gemeinden haben mit Nein-Anteilen von  33%  bis 40 %  den zusätzlichen Subventionen stark zugestimmt. Fünf Gemeinden haben mit Nein-Anteilen von 40 % bis 47 % zugestimmt. Und fünf weitere Gemeinden haben mit einem Nein-Anteil zwischen 47,7 % und 49,6 % äußerst knappe Zustimmungen geliefert, die leicht auch ins Gegenteil hätten drehen können. Also von einem einheitlichen Unterbaselbieter Votum kann nicht die Rede sein. Ich bleibe dabei: Der ganze Kanton hat Nein gestimmt (vgl. Artikel unten). Es liegt keine extreme und geschlossene Differenz zwischen unten und oben vor. Und es sei noch angemerkt, daß dieses Thema immer dann hochkommt, wenn der Bezirk Arlesheim sein absolut dominantes Stimmpotential nicht nutzt. Bei allen andern Abstimmungen, in denen das Unterbaselbiet den Takt vorgibt, ist das dann einfach normal, selbstverständlich und logisch.

Daß die Enttäuschung im Theater Basel groß war, kann ich gut verstehen. Allerdings kann ich einige polemische Reaktionen von Verantwortlichen des Theaters nicht akzeptieren. Wer einen Betrieb führt, der in so hohem Maße von öffentlichen Geldern lebt, muß auch damit leben, daß diese Öffentlichkeit auch einmal Nein sagt. Zudem sei in Erinnerung gerufen, daß der Kanton Basel-Landschaft nicht bisherige Mittel kürzen wollte; es ging darum, ob man zusätzliche Mittel für die nächsten vier Jahre bewilligt. Besonders störend ist die Handlungsweise der Theaterverantwortlichen im Vor- und im Nachfeld. Im Vorfeld wurde eisern behauptet, es gäbe keinen Plan B. Und im Nachhinein gibt es nun nicht nur einen Plan B. Nein, es gibt einen C-, einen D-, einen E-, einen F-Plan. Es sprudelte nur so von Plänen. Glaubwürdigkeit vermittelt man auf diese Weise nicht.

Besonders kopflos sind alle Forderungen, die Agglomerationsgemeinden sollten sich nun quasi aus dem Finanzausgleich abmelden können, wenn sie denn das Theater Basel unterstützten. Wie stellt man sich das eigentlich vor? Birsfelden und ein paar weitere Gemeinden im Bezirk Arlesheim bekommen dann keinen Finanzausgleich mehr? Und wer bestimmt denn, ob das Geld dem Theater zukommen soll? Nach der nächsten Gemeinderatswahl schickt dann die Mehrheit den Obolus an die Gesellschaft für Kammermusik oder ans Marionettentheater oder an die Stiftung Basler Orchester? Und ein Einwohnerrat bzw. eine Gemeindeversammlung soll nichts zu einem 6- bis 7-stelligen Ausgabeposten zu sagen haben? Es ist einfach daran zu erinnern, daß keine Schweizer Stadt einen so hohen und so gesicherten Kulturbeitrag aus dem Umland erhält wie Basel  –  und das dank des Kulturvertrages, dem Baselland damals mit Überzeugung zugestimmt hatte.

Es ist auch nötig, das Thema in eine kultur- und gesellschaftspolitische Gesamtbeurteilung zu stellen, denn es gibt ja nicht nur das Theater Basel. Und dazu mögen folgende Zahlen einen Hinweis geben. Das Theater Basel erhält gemäß seiner Jahresrechnung 2009/2010 Subventionen von Basel-Stadt und Baselland im Betrage von 42,2 Mio Franken. Hinzu kommen noch Leistungen des Baudepartements Basel-Stadt, die mit 2,3 Mio Franken beziffert sind. Total sind also dem Theater Basel in seinem Geschäftsjahr 2009/2010  44,5 Mio Franken aus öffentlichen Händen zugeflossen. Demgegenüber beträgt beispielsweise der Steuerertrag der beiden wichtigsten Kirchen in Basel-Stadt 21,0 Mio Franken für die evangelisch-reformierte Kirche und 12,1 Mio Franken für die römisch-katholische Kirche, somit zusammen 33,1 Mio Franken. Sowohl bei den Kirchen als auch beim Theater Basel handelt es sich um Steuergeld. Diese Zahlen sollen nicht zu einem Ausspielen von Institutionen führen, sie sollen lediglich Proportionen darstellen, vor deren Hintergrund man sich einmal genau betrachten sollte, wer was für welche Bevölkerungsgruppen leistet. Vielleicht überlegen sich das die Schnellschuß-Politiker aus den christlichen Parteien auch einmal …

Es kann auch nicht sein, daß nun das Theater Basel als Institution mit einem Alleinvertretungsanspruch betreffend Kultur auftritt und von der Politik so noch ummantelt  wird. Auf dem weiten Feld der Kultur gibt es viel Anderes und ebenfalls Wertvolles. Auch diese Kulturanbieter haben ein Anrecht darauf, vom staatlichen Füllhorn einen angemessenen Anteil zu bekommen. Ich rede bewußt nicht von „gerechtem Anteil“, denn was kann in solchen Zusammenhängen schon gerecht sein?

Für die weitere Diskussion ist nun dringend Distanz und auch etwas mehr Gelassenheit nötig. Vorerst empfehle ich allen Akteuren: „Stehe still und sammle dich!“

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