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Wir gehören zu Europa

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Zum Glück sind die Mitglieder unserer Landesregierung noch nicht benebelt von der derzeitigen „Schweiz-Welle“. Gut, ein Teil davon gehört zum kommenden Wahlkampf, was aber nicht darüber hinwegsehen läßt, daß es in unserer Bevölkerung eine starke Strömung hin zum Isolationismus gibt. Nach dem ersten Weltkrieg waren die USA auch einmal eine Phase lang in der „splendid isolation“. Selbst die USA, für viele Konservative immer noch Vorbild-Nation, konnten das nicht durchhalten.

Wer eine höhere Integration der Schweiz in Europa bekämpft, nimmt wichtige Entwicklungen in dieser Welt nicht wahr. Das Schwergewicht verlagert sich ziemlich rasch in den asiatisch-pazifischen Raum. Aufstrebende, junge und riesige Nationen wie China, Indonesien, Indien und weitere drängen nach vorne und nach oben. Ohne ein integriertes, sich auf seine Stärken besinnendes Europa wird der alte Kontinent in dieser Entwicklung nur verlieren. Und wir sind im wahrsten Sinne des Wortes ein alter Kontinent, der schwergewichtig aus Ländern besteht, deren Gesellschaften unglaublich schnell veralten. Und die kleine Schweiz ist bei diesen schnell veraltenden Gesellschaften ganz vorne mit dabei. Viele Schweizerinnen und Schweizer glauben immer noch, unser Land könnte seine uneingeschränkte Souveränität, seine ewigwährende Neutralität, sein wirtschaftliches Wohlergehen und seine Höhenfeuer auf den Alpen in völliger Unabhängigkeit in dieser sich rasch und nachhaltig ändernden Welt ganz alleine behaupten!

Wir sind –  ob wir es toll finden oder nicht  –  einfach Tag für Tag mehr darauf angewiesen, ein akzeptierter, respektierter, geschätzter und mitwirkender Teil dieser kulturellen und wirtschaftlichen Gesamtheit namens Europa zu sein. Und diese europäische Gesamtheit erfährt nun halt einfach in der Gestalt der EU ihren staatlichen Ausdruck. Dieses Herausbilden von europäischer Staatlichkeit kann man durchaus in Varianten sehen. Aber zu diesem historisch notwendigen Prozeß sehe ich nur eine Alternative: die Marginalisierung Europas durch die erwähnten jungen Völker aus andern Regionen des Globus.

Wer nun die These aufstellt, es sei in bezug auf Europa überhaupt keine weitere Entwicklung nötig, die Bilateralen seien völlig ausreichend und das Personenfreizügigkeitsabkommen könnten wir auch noch kündigen, der legt eine gewaltige Selbstüberschätzung an den Tag. Selbstverständlich hat die EU auch einige Interessen, bei denen es ihr besser geht, wenn sie diese in guter Übereinkunft mit der Schweiz erfüllen kann. Aber das ist um ein Vielfaches geringer, als unsere Interessen bezüglich EU und Bilaterale sein müssen. Die EU hat schon angezeigt, daß sie mit dem komplizierten Konstrukt von vielen bilateralen Verträgen und den schwerfälligen Anpassungsprozessen nicht mehr lange leben will. Und wir haben in der Schweiz Leute, die sich für die vollständige Abkapselung unseres Landes starkmachen und zugleich mit der Kündigung des Freizügigkeitsabkommens einen Steilpaß nach Brüssel spielen wollen!

Die Schweiz hätte in Europa eine außerordentlich wichtige Rolle zu spielen. Wir sind fast das einzige Land, das zu beiden Hauptkulturräumen der europäischen Geschichte, dem lateinischen und dem germanischen, einen direkten, unmittelbaren Zugang hat. Zudem haben wir in Jahrhunderten gelernt, diese beiden Elemente zu verbinden. Wir haben mit katholischen und reformierten Landesteilen beide Verwurzelungen in ganz wichtigen geistesgeschichtlichen Gründen Europas. Als Land mit einem hohen Bildungsniveau und exzellenten Hochschulen verfügen wir über wissenschaftliches und kulturelles Potential, das Europa für die Behauptung seiner Stellung ebenfalls benötigt. Wir haben als Binnenland mit weltweitem Handel das Verständnis für die ökonomischen Möglichkeiten und Grenzen, für den Ausgleich von Interessen. Mit unserer bundesstaatlichen Erfahrung hätten wir für die weitere Entwicklung von Europa etwas einzubringen, das den meisten EU-Ländern fehlt. Und bezüglich der Ausgestaltung der Demokratie müßte die Schweiz das Licht auch nicht unter den Scheffel stellen  –  auch wenn es Professoren gibt, die das regierungslose Belgien auf Platz 3 und uns lediglich auf Platz 15 sehen.

Es bleibt für mich dabei: Die Schweiz ist weit mehr auf Europa angewiesen als umgekehrt. Die Schweiz ist auch weit mehr auf die Welt angewiesen als die Welt auf uns. „Splendid isolation“ ist kein Weg in die Zukunft; sie ist bestenfalls ein kürzeres Straßenstück, das sich als böse Sackgasse herausstellen wird.

Deshalb beschädigt meines Erachtens die SVP mit ihrer diesjährigen Kernaussage die Schweiz, unser Land. Was ich davon halte, kann man unter diesem Link nachlesen:

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